cc_byBahrs, EnnoBack, Hans Walter2024-06-112024-06-112023https://hohpublica.uni-hohenheim.de/handle/123456789/15852https://doi.org/10.60848/10807Die Land- und Forstwirtschaft ist ein besonderer Teil der Volkswirtschaft, da sie essentielle und nicht substituierbare Nahrungsmittel und Rohstoffe bereitstellt. Die landwirtschaftliche Produktion interagiert durch die Nutzung natürlicher Prozesse und Ressourcen mit der Umwelt. Beispielsweise ist sie ein bedeutender Bodennutzer. Dies sind einige Gründe für ein öffentliches und staatliches Interesse an den Entwicklungen in der Landwirtschaft, das sich auch auf den ökonomischen Bereich erstreckt. Aus agrarpolitischen Erwägungen und um gesellschaftlich erwünschte Ziele zu erreichen, existieren neben Eingriffen in die Agrar- und Bodenmärkte für die Landwirtschaft auch Sonderregelungen und spezifische Vorgaben in weiteren Bereichen wie dem Steuerrecht. Die (steuer-)rechtlichen und regulatorischen Vorgaben werden veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst und beeinflussen die ökonomische Situation der landwirtschaftlichen Betriebe, Haushalte und der Volkswirtschaft. Daher benötigen politische Akteure zur Planung, Entscheidung und Evaluierung qualitative und quantitative Informationen zur ökonomischen Wirkung der jeweiligen Maßnahmen oder Instrumente. Weiterhin ist die Land- und Forstwirtschaft Gegenstand der Besteuerung und muss von anderen Steuertatbeständen abgegrenzt und mit angepassten Methoden bewertet werden. In beiden Fällen werden die Daten einzelner Unternehmen wie z. B. aus dem betrieblichen Rechnungswesen benötigt, können jedoch aufgrund ihres Umfangs nicht immer in ihrer originären Form verwendet werden. Folglich müssen die Informationen aufbereitet und verdichtet werden. Ein methodischer Ansatz sind Kennzahlen, die betriebswirtschaftlich relevante Sachverhalte in kompakter und standardisierter Form darstellen. Die Übertragung in andere Anwendungsgebiete außerhalb individueller betriebswirtschaftlicher Überlegungen, aber auch veränderte Rahmenbedingungen erfordern eine Anpassung und Weiterentwicklung der Kennzahlen an die konkrete Fragestellung. Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist ein Beitrag zur Weiterentwicklung der methodischen Ausgestaltung und zu den Anwendungsmöglichkeiten von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen in zwei exemplarischen Anwendungsfeldern – der Analyse des landwirtschaftlichen Bodenmarktes und dem steuerlichen Bewertungsrecht. Der landwirtschaftliche Bodenmarkt in Deutschland ist seit etwa 15 Jahren durch einen starken Preisanstieg und das Auftreten neuer Marktakteure gekennzeichnet. Dies hat eine Debatte über die Notwendigkeit und Ausgestaltung regulatorischer Eingriffe in den Bodenmarkt zum Schutz der Landwirtinnen und Landwirte ausgelöst. In Kapitel 2 dieser Arbeit wird anhand der Kennzahl Grundrente geprüft, ob die Kaufpreisentwicklung durch die landwirtschaftliche Ertragsfähigkeit abgebildet wird und des Weiteren diskutiert, was weitere Referenzen für Überpreise im Kontext des Grundstückverkehrsrechts sein können. Dabei zeigen die Auswertungen von Testbetriebsdaten, dass die kapitalisierten Grundrenten der besseren Betriebe auch aufgrund niedriger Zinssätze dem Niveau der Kaufpreise entsprechen. Generelle Überpreise liegen somit nicht vor, wenngleich dies vereinzelt oder regional nicht auszuschließen ist. Die kapitalisierte Grundrente stellt jedoch aufgrund methodenimmanenter Unsicherheiten keine geeignete Referenz für agrarpolitisch motivierte Interventionen dar. Der Referenzwert kann sich am Bodenrichtwert orientieren, auch wenn dieser die Preisentwicklung verzögert abbildet. Die durchschnittliche Betriebsgröße ist in den letzten Jahrzehnten angestiegen. Ein weiteres Argument für eine erweiterte Regulation sind die befürchteten Auswirkungen von Konzentration und Ungleichverteilung bei Bewirtschaftung und Bodeneigentum. Zu den angedachten Maßnahmen zählen auch Beschränkungen für Kauf- und Pachtinteressenten mit überdurchschnittlichen Marktanteilen in regionalen Bodenmärkten. In Kapitel 3 werden Vorschläge zur Messung von Konzentration in der Bewirtschaftung anhand verschiedener Disparitäts- und Konzentrationsmaße auf Basis einzelbetrieblicher Daten dargestellt. In Deutschland ist eine Disparität der Flächenbewirtschaftung und in einigen Regionen auch eine deutliche Konzentration auf größere Betriebe feststellbar. Daher wird in Kapitel 4 der Zusammenhang zwischen Konzentration und den Bodenpreisen (Bodenrichtwerten) mit Hilfe eines hedonischen Preismodells analysiert, um daraus Empfehlungen für agrar- bzw. bodenpolitische Maßnahmen abzuleiten. Neben weiteren landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Einflussfaktoren auf die Bodenrichtwerte werden räumliche Autokorrelationen auf Ebene der Gemeinden berücksichtigt. Trotz unterschiedlichem Niveau der Flächenkonzentration bestätigt sich ein negativer, aber regional unterschiedlich ausgeprägter Zusammenhang zwischen Disparität sowie Konzentration und den Bodenrichtwerten für die Bundesländer Thüringen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Auch wenn Konzentration wettbewerbsrechtlich problematisch sein kann, könnte sie zu einer politisch intendierten Preisdämpfung führen. Da der kausale Zusammenhang, dass Bewirtschaftungskonzentration zu niedrigeren Bodenpreisen führt, methodisch nicht nachweisbar ist, könnten niedrige Preise, ökonomischer Erfolg und Pfadabhängigkeit auch Gründe für Konzentration sein. Eine formal definierte Berücksichtigung von Konzentration in Form von absoluten Eigentums- und Bewirtschaftungsgrößen bei einer veränderten Bodenmarktregulierung erscheint nicht sinnvoll, zumal das allgemeine deutsche Marktmachtkonzept auf konkret abgegrenzte Märkten fokussiert, für die relative Maße bedeutender sind. Für die Agrarpolitik besteht weiterhin eine Diskrepanz zwischen geforderter Regulation, ihrer Notwendigkeit und unerwünschten Nebeneffekten, was weiteren Forschungsbedarf bei der Aufklärung der Wirkungszusammenhänge auf dem Bodenmarkt hin zu einer umfassenden Theorie impliziert. Das zweite exemplarische Anwendungsfeld befasst sich mit dem steuerlichen Bewertungsrecht im Bereich der Landwirtschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 10.04.2018 den Einheitswert als bisherige Bemessungsgrundlage der Grundsteuer aufgrund veralteter Bewertungsrelationen für verfassungswidrig erklärt, sodass der Gesetzgeber die Grundsteuer mit dem Grundsteuer-Reformgesetz auch für die Landwirtschaft neu regelte. Dabei wurde zum einen die Abgrenzung der landwirtschaftlichen Wohnbebauung zur Grundsteuer B neu eingeführt, was vielfältige bundeslandspezifische Bewertungsmaßstäbe zur Folge hat. Zum anderen wurde die Bewertungsmethodik für den bisherigen Wirtschaftsteil aktualisiert. Nicht novelliert wurde dagegen die veraltete Abgrenzung der landwirtschaftlichen zur gewerblichen Tierhaltung anhand der Kennzahl Vieheinheit, was auch für die Ertragsbesteuerung relevant ist. Die bestehende Vieheinheiten-Systematik bildet die Tierhaltung nicht mehr sachgerecht ab. Kapitel 5 zeigt daher Optionen zur Aktualisierung dieser Abgrenzung sowie exemplarische Auswirkungen für die Tierhalter. Bei einer linear bundeseinheitlichen Viehbesatzgrenze könnten etwa 2,5 (neue) Vieheinheiten bzw. Milchkühe je ha landwirtschaftlich gehalten werden. Diese Grenze kann nach Ackerland und Dauergrünland getrennt und auf regionaler Ebene differenzierter ermittelt werden. Von den Novellierungsoptionen profitieren Veredlungsbetriebe (Schweine und Geflügel) sowie flächenstarke Betriebe. Das folgende Kapitel 6 analysiert und diskutiert vor allem die Bewertungsmethodik der novellierten Grundsteuer, die im Kontext der Landwirtschaft weiterhin ein Ertragswertverfahren vorsieht. Mit der durch das Gesetz neu entwickelten Kennzahl des standardisierten Reinertrags wird ein in der Landwirtschaft nicht mehr realistischer pacht- und schuldenfreier Betrieb unterstellt. Eine sachlogisch nicht nachvollziehbare zusätzliche Reduktion der Lohnansätze anhand der Nettorentabilität verursacht systematische Verzerrungen und Überbewertungen, die vermutlich durch eine entsprechend angepasste Steuermesszahl annähernd ausgeglichen werden. Aufgrund der jüngsten und auch zukünftig zu erwartenden Schäden im deutschen Wald wird eine aktualisierte Bewertung für den Forst vorgeschlagen. Diese Anpassung ist mittlerweile, nach Einreichung und Annahme des entsprechenden Beitrags, auch erfolgt. Für das steuerliche Bewertungsrecht wäre die skizzierte Optimierung der Ertragsbewertung zu begrüßen. Eine Novellierung der Abgrenzung anhand der Vieheinheiten ist dagegen sowohl für die Grundsteuer als auch für die Ertragsbesteuerung dringend zu empfehlen und würde die zukünftige Perspektive der landwirtschaftlichen Tierhaltung mitgestalten. Insgesamt zeigen die Kapitel dieser Arbeit, dass betriebswirtschaftliche Kennzahlen auch zu nicht ausschließlich betriebswirtschaftlichen Fragestellungen einen Beitrag zum Erkenntnisgewinn leisten können. Bedeutend ist eine methodisch korrekte, an die Problematik angepasste und aktuelle Ermittlung. Durch die Informationsverdichtung ermöglichen Kennzahlen einen schnellen Zugang zu wirtschaftlichen Zusammenhängen und tragen zu verbesserten agrarpolitischen Entscheidungen sowie einer gerechteren Besteuerung bei.Agriculture and forestry are a special part of the national economy. They provide essential and non-substitutable food and commodities. Agricultural production interacts with the environment using natural processes and resources. For instance, it is a significant user of land. The public and the government show a particular interest for the developments in the agricultural sector, extending also in the economic sphere. Due to societal objectives, agricultural policy developed interventions in agricultural and land markets, special regulations such as tax law for agriculture, but also specific requirements in other areas. The (tax) legislation and regulatory interventions are adapted to changing economic and social conditions. This influences the economic situation of farms, households and the national economy. Therefore, political actors need qualitative and quantitative information on the economic impact of the respective measures or instruments for planning, decision-making and evaluation. Furthermore, agriculture and forestry are subject to taxation. They have to be distinguished from other chargeable events and have to be valuated with adapted methods. Both, taxation and agricultural policy use the data of individual companies, such as from business accounting. These data in their original form are not always suitable due to their volume. Consequently, information must be processed and condensed. One methodical approach is to use key figures or indicators which represent business-relevant facts in a compact and standardized form. The transfer into other application areas outside of individual business management considerations but also changed basic conditions require an adaptation and further development of the key figures to the concrete problem. The overall objective of this thesis is to contribute to the further development of the methodological design and the application possibilities of key figures in two exemplary fields - the analysis of the agricultural land market and the valuation for tax law. A sharp rise in prices and the emergence of new market players has characterized the market for agricultural land in Germany in the last 15 years. This has triggered a debate on the necessity and design of regulatory interventions in the land market to protect farmers. Chapter 2 uses the land rent metric to examine whether agricultural earning capacity reflects purchase price trends. Furthermore, the chapter discusses alternative references for overpricing in the context of land transaction law. The evaluations of the German farm data network show that the capitalized ground rents of the better farms correspond to the level of purchase prices, also due to low interest rates. General overpricing is thus not present although this can occur in some cases or regionally. However, due to uncertainties inherent in the method, the capitalized land rent is not a suitable reference for interventions by agricultural policy. The standard land value is a suitable reference even if it reflects price developments with a lag. Average farm size has increased in recent decades. Another argument for expanded regulation is the feared impact of concentration and inequality in land use and land ownership. Restrictions on prospective buyers and renters with above-average market shares in regional land markets are some of the considered measures. Chapter 3 presents proposals for measuring concentration in farming using various measures of disparity and concentration based on individual farm data. In Germany, a disparity in land management and, in some regions, a clear concentration of land on larger farms can be observed. Therefore, chapter 4 analyses the relationship between concentration and land prices (standard land values) using a hedonic price model in order to derive recommendations for agricultural and land policy measures. In addition to other agricultural and non-agricultural factors influencing standard land values, spatial autocorrelations at the level of municipalities are taken into account. Despite different levels of land concentration, a negative but regionally varying correlation between disparity as well as concentration and standard land values can be confirmed for the federal states of Thuringia, Rhineland-Palatinate and North Rhine-Westphalia. Even if concentration can be problematic in terms of competition law, it could lead to a politically intended price dampening. The causal relationship that concentration in land use leads to lower farmland prices cannot be proven methodologically. Therefore, low prices, economic success and path dependency could also be reasons for concentration. It does not seem appropriate to use concentration in the form of formally defined and absolute limits of land ownership and land use for the regulation of land markets. In particular, the general German market power concept focuses on defined markets for which relative measures are more significant. For agricultural policy, a discrepancy remains between regulatory efforts, their necessity and undesirable side effects. This implies a need for further research to conclude a comprehensive theory from the interactions in the land market. The second example deals with valuation for tax law in the area of agriculture. In its ruling of April 10, 2018, the Federal Constitutional Court declared the rateable value as the previous basis of assessment for land tax to be unconstitutional. This is due to outdated valuation ratios. Therefore, the legislature has reorganized land tax with the Land Tax Reform Act. Firstly, property tax newly distinguishes between agricultural business and residential buildings (now property tax B). This resulted in a variety of state-specific valuation standards. Secondly, the legislator updated the valuation methodology for the economic section. In contrast, the delineation between agricultural and business enterprise based on outdated livestock unit was not amended. The existing classification system for livestock no longer properly reflects animal husbandry. Chapter 5 therefore presents options for updating this delineation as well as exemplary implications for livestock producers. Calculations on a federal base result in a livestock limit of approximately 2.5 (new) livestock units or dairy cows per hectare of agricultural land. The livestock unit limit is more precise if determined separately for cropland and permanent pasture or at the regional level. The amendment options benefit fattening of pigs or poultry as well as farms with large acreages. The following chapter 6 analyses and discusses valuation methodology of the amended property tax. The capitalized earnings value method will remain the basis of assessment for agriculture. The standardized net income figure newly developed by law assumes an operation free of rent and debt that is no longer realistic in the agricultural sector. An additional reduction of wage rates based on net profitability causes systematic distortions and overvaluations. This is not factually comprehensible. A correspondingly adjusted tax assessment base compensates overvaluation presumably. Due to the recent and expected damage in the German forest, an updated valuation for forestry is proposed. This amendment was made after submission and acceptance of the respective article. For tax valuation law, the outlined optimization of the capitalized earnings value system would be welcome. In particular, an amendment of the delimitation based on livestock units is urgently recommended for property tax as well as income taxation. This helps to shape the future perspective of agricultural livestock farming. Overall, this thesis shows that key figures can contribute to generating new knowledge on issues that are not only exclusively business-related. It is important that the determination is methodically correct, adapted to the problem and up-to-date. By condensing information, key figures provide quick access to economic contexts. They contribute to improved agricultural policy decisions and fairer taxation.ger630Weiterentwicklung von Kennzahlen der landwirtschaftlichen Betriebslehre für das steuerliche Bewertungsrecht und die Analyse von BodenmärktenDoctoralThesis