Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre
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Browsing Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre by Person "Back, Hans Walter"
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Publication Weiterentwicklung von Kennzahlen der landwirtschaftlichen Betriebslehre für das steuerliche Bewertungsrecht und die Analyse von Bodenmärkten(2023) Back, Hans Walter; Bahrs, EnnoDie Land- und Forstwirtschaft ist ein besonderer Teil der Volkswirtschaft, da sie essentielle und nicht substituierbare Nahrungsmittel und Rohstoffe bereitstellt. Die landwirtschaftliche Produktion interagiert durch die Nutzung natürlicher Prozesse und Ressourcen mit der Umwelt. Beispielsweise ist sie ein bedeutender Bodennutzer. Dies sind einige Gründe für ein öffentliches und staatliches Interesse an den Entwicklungen in der Landwirtschaft, das sich auch auf den ökonomischen Bereich erstreckt. Aus agrarpolitischen Erwägungen und um gesellschaftlich erwünschte Ziele zu erreichen, existieren neben Eingriffen in die Agrar- und Bodenmärkte für die Landwirtschaft auch Sonderregelungen und spezifische Vorgaben in weiteren Bereichen wie dem Steuerrecht. Die (steuer-)rechtlichen und regulatorischen Vorgaben werden veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst und beeinflussen die ökonomische Situation der landwirtschaftlichen Betriebe, Haushalte und der Volkswirtschaft. Daher benötigen politische Akteure zur Planung, Entscheidung und Evaluierung qualitative und quantitative Informationen zur ökonomischen Wirkung der jeweiligen Maßnahmen oder Instrumente. Weiterhin ist die Land- und Forstwirtschaft Gegenstand der Besteuerung und muss von anderen Steuertatbeständen abgegrenzt und mit angepassten Methoden bewertet werden. In beiden Fällen werden die Daten einzelner Unternehmen wie z. B. aus dem betrieblichen Rechnungswesen benötigt, können jedoch aufgrund ihres Umfangs nicht immer in ihrer originären Form verwendet werden. Folglich müssen die Informationen aufbereitet und verdichtet werden. Ein methodischer Ansatz sind Kennzahlen, die betriebswirtschaftlich relevante Sachverhalte in kompakter und standardisierter Form darstellen. Die Übertragung in andere Anwendungsgebiete außerhalb individueller betriebswirtschaftlicher Überlegungen, aber auch veränderte Rahmenbedingungen erfordern eine Anpassung und Weiterentwicklung der Kennzahlen an die konkrete Fragestellung. Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist ein Beitrag zur Weiterentwicklung der methodischen Ausgestaltung und zu den Anwendungsmöglichkeiten von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen in zwei exemplarischen Anwendungsfeldern – der Analyse des landwirtschaftlichen Bodenmarktes und dem steuerlichen Bewertungsrecht. Der landwirtschaftliche Bodenmarkt in Deutschland ist seit etwa 15 Jahren durch einen starken Preisanstieg und das Auftreten neuer Marktakteure gekennzeichnet. Dies hat eine Debatte über die Notwendigkeit und Ausgestaltung regulatorischer Eingriffe in den Bodenmarkt zum Schutz der Landwirtinnen und Landwirte ausgelöst. In Kapitel 2 dieser Arbeit wird anhand der Kennzahl Grundrente geprüft, ob die Kaufpreisentwicklung durch die landwirtschaftliche Ertragsfähigkeit abgebildet wird und des Weiteren diskutiert, was weitere Referenzen für Überpreise im Kontext des Grundstückverkehrsrechts sein können. Dabei zeigen die Auswertungen von Testbetriebsdaten, dass die kapitalisierten Grundrenten der besseren Betriebe auch aufgrund niedriger Zinssätze dem Niveau der Kaufpreise entsprechen. Generelle Überpreise liegen somit nicht vor, wenngleich dies vereinzelt oder regional nicht auszuschließen ist. Die kapitalisierte Grundrente stellt jedoch aufgrund methodenimmanenter Unsicherheiten keine geeignete Referenz für agrarpolitisch motivierte Interventionen dar. Der Referenzwert kann sich am Bodenrichtwert orientieren, auch wenn dieser die Preisentwicklung verzögert abbildet. Die durchschnittliche Betriebsgröße ist in den letzten Jahrzehnten angestiegen. Ein weiteres Argument für eine erweiterte Regulation sind die befürchteten Auswirkungen von Konzentration und Ungleichverteilung bei Bewirtschaftung und Bodeneigentum. Zu den angedachten Maßnahmen zählen auch Beschränkungen für Kauf- und Pachtinteressenten mit überdurchschnittlichen Marktanteilen in regionalen Bodenmärkten. In Kapitel 3 werden Vorschläge zur Messung von Konzentration in der Bewirtschaftung anhand verschiedener Disparitäts- und Konzentrationsmaße auf Basis einzelbetrieblicher Daten dargestellt. In Deutschland ist eine Disparität der Flächenbewirtschaftung und in einigen Regionen auch eine deutliche Konzentration auf größere Betriebe feststellbar. Daher wird in Kapitel 4 der Zusammenhang zwischen Konzentration und den Bodenpreisen (Bodenrichtwerten) mit Hilfe eines hedonischen Preismodells analysiert, um daraus Empfehlungen für agrar- bzw. bodenpolitische Maßnahmen abzuleiten. Neben weiteren landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Einflussfaktoren auf die Bodenrichtwerte werden räumliche Autokorrelationen auf Ebene der Gemeinden berücksichtigt. Trotz unterschiedlichem Niveau der Flächenkonzentration bestätigt sich ein negativer, aber regional unterschiedlich ausgeprägter Zusammenhang zwischen Disparität sowie Konzentration und den Bodenrichtwerten für die Bundesländer Thüringen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Auch wenn Konzentration wettbewerbsrechtlich problematisch sein kann, könnte sie zu einer politisch intendierten Preisdämpfung führen. Da der kausale Zusammenhang, dass Bewirtschaftungskonzentration zu niedrigeren Bodenpreisen führt, methodisch nicht nachweisbar ist, könnten niedrige Preise, ökonomischer Erfolg und Pfadabhängigkeit auch Gründe für Konzentration sein. Eine formal definierte Berücksichtigung von Konzentration in Form von absoluten Eigentums- und Bewirtschaftungsgrößen bei einer veränderten Bodenmarktregulierung erscheint nicht sinnvoll, zumal das allgemeine deutsche Marktmachtkonzept auf konkret abgegrenzte Märkten fokussiert, für die relative Maße bedeutender sind. Für die Agrarpolitik besteht weiterhin eine Diskrepanz zwischen geforderter Regulation, ihrer Notwendigkeit und unerwünschten Nebeneffekten, was weiteren Forschungsbedarf bei der Aufklärung der Wirkungszusammenhänge auf dem Bodenmarkt hin zu einer umfassenden Theorie impliziert. Das zweite exemplarische Anwendungsfeld befasst sich mit dem steuerlichen Bewertungsrecht im Bereich der Landwirtschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 10.04.2018 den Einheitswert als bisherige Bemessungsgrundlage der Grundsteuer aufgrund veralteter Bewertungsrelationen für verfassungswidrig erklärt, sodass der Gesetzgeber die Grundsteuer mit dem Grundsteuer-Reformgesetz auch für die Landwirtschaft neu regelte. Dabei wurde zum einen die Abgrenzung der landwirtschaftlichen Wohnbebauung zur Grundsteuer B neu eingeführt, was vielfältige bundeslandspezifische Bewertungsmaßstäbe zur Folge hat. Zum anderen wurde die Bewertungsmethodik für den bisherigen Wirtschaftsteil aktualisiert. Nicht novelliert wurde dagegen die veraltete Abgrenzung der landwirtschaftlichen zur gewerblichen Tierhaltung anhand der Kennzahl Vieheinheit, was auch für die Ertragsbesteuerung relevant ist. Die bestehende Vieheinheiten-Systematik bildet die Tierhaltung nicht mehr sachgerecht ab. Kapitel 5 zeigt daher Optionen zur Aktualisierung dieser Abgrenzung sowie exemplarische Auswirkungen für die Tierhalter. Bei einer linear bundeseinheitlichen Viehbesatzgrenze könnten etwa 2,5 (neue) Vieheinheiten bzw. Milchkühe je ha landwirtschaftlich gehalten werden. Diese Grenze kann nach Ackerland und Dauergrünland getrennt und auf regionaler Ebene differenzierter ermittelt werden. Von den Novellierungsoptionen profitieren Veredlungsbetriebe (Schweine und Geflügel) sowie flächenstarke Betriebe. Das folgende Kapitel 6 analysiert und diskutiert vor allem die Bewertungsmethodik der novellierten Grundsteuer, die im Kontext der Landwirtschaft weiterhin ein Ertragswertverfahren vorsieht. Mit der durch das Gesetz neu entwickelten Kennzahl des standardisierten Reinertrags wird ein in der Landwirtschaft nicht mehr realistischer pacht- und schuldenfreier Betrieb unterstellt. Eine sachlogisch nicht nachvollziehbare zusätzliche Reduktion der Lohnansätze anhand der Nettorentabilität verursacht systematische Verzerrungen und Überbewertungen, die vermutlich durch eine entsprechend angepasste Steuermesszahl annähernd ausgeglichen werden. Aufgrund der jüngsten und auch zukünftig zu erwartenden Schäden im deutschen Wald wird eine aktualisierte Bewertung für den Forst vorgeschlagen. Diese Anpassung ist mittlerweile, nach Einreichung und Annahme des entsprechenden Beitrags, auch erfolgt. Für das steuerliche Bewertungsrecht wäre die skizzierte Optimierung der Ertragsbewertung zu begrüßen. Eine Novellierung der Abgrenzung anhand der Vieheinheiten ist dagegen sowohl für die Grundsteuer als auch für die Ertragsbesteuerung dringend zu empfehlen und würde die zukünftige Perspektive der landwirtschaftlichen Tierhaltung mitgestalten. Insgesamt zeigen die Kapitel dieser Arbeit, dass betriebswirtschaftliche Kennzahlen auch zu nicht ausschließlich betriebswirtschaftlichen Fragestellungen einen Beitrag zum Erkenntnisgewinn leisten können. Bedeutend ist eine methodisch korrekte, an die Problematik angepasste und aktuelle Ermittlung. Durch die Informationsverdichtung ermöglichen Kennzahlen einen schnellen Zugang zu wirtschaftlichen Zusammenhängen und tragen zu verbesserten agrarpolitischen Entscheidungen sowie einer gerechteren Besteuerung bei.